Mittwoch, 27. Juni 2012

saiten

ich spüre
wie ihre finger die saiten zum schwingen bringen
wie sie fest und bestimmt in die saiten greift
wie sie sie mit der anderen hand gegen das brett drückt
sie träumt
singt
träumt singend und
singt träumend
und dieser gesang spricht zu mir
in tausend worten
die ich kaum zu finden vermag
bewegt sie etwas in mir
hinterlässt etwas in mir
tief in mir
spüre ich einen riss
und sie tanzt über diesen riss
sie tritt hinein
flickt ihn mit ihren schritten
tippelt auf beiden seiten entlang
verbindet diese seiten und reißt sie dann wieder auseinander
ich möchte weinen
wenn sie trauert
ich möchte jubeln
wenn sie sich freut
ich möchte ihr meine hand geben und mit ihr gehen
diesen weg entlang
der da vor uns liegt
und doch schon wieder ausradiert wird
durch die zeit
durch die umstände
durch diese dinge
die uns umgeben
und uns begrenzen
ihre stimme tönt in meinen ohren
und ich möchte, dass sie dort verbleibt
ich möchte ihre worte immer hören
ich möchte, dass sie mich begleiten
doch nur meine erinnerung wird das besorgen können
denn ich weiß
ich weiß zu viel
um diesen weg gehen zu können
denn da sind schranken
die es verhindern
ich sehe diese schranken
und ich weiß
wie ich sie öffnen kann
nur der wärter hat angst sie mich anheben lassen
und so verweilen ihre augen auf mir
einen augenblick lang
ich möchte immer so von ihr angesehen werden
ich möchte sie so ansehen dürfen
bar dieser schranken
sie berühren dürfen
ein augenblick soll ewig währen
aber er löst sich in seiner beschränktheit auf
und zeigt mir grenzen
von deren existenz ich wusste
aber ich möchte sie verwünschen
ich möchte sie verwünschen
sie tilgen
sie löschen
sie ausradieren
wie es diese dinge mit dem weg tun
der da vor uns liegt
mein herz klopft bis zum hals
fast habe ich angst
sie könnte es hören
ihren blick abwenden
ihren gesang unterbrechen
hör auf mein herz
zu schlagen
gegen die wand
die mein äußeres von meinem inneren trennt
die es mir ermöglicht
fassung zu bewahren
wenn ihre augen auf mir liegen
wenn ihre lippen worte formen
die in mir wiederhallen
ein echo bilden
das ewig hallt
ich kenne diese worte
ich habe sie gehört
ich habe sie gelernt
bevor ich hier her gekommen bin
und meine lippen wiederholen ihre worte
weil sie keine besseren finden
weil sie verlernt haben zu sprechen
weil sie keine worte finden
die nicht ihre wären
ihre worte fließen mit meinen kopien zusammen
jenseits der schranken
und mein herz klopft
mir bis zum hals
und jeder kann es hören
meine augen suchen ihre
versuchen zu sehen
was sie sieht
und scheitern
kläglich
mir bleibt der widerhall im innern
mir bleibt die erinnerung
und so öffne ich meine augen
öffne meinen schleusen
versuche so viel wie möglich
von ihr in mich
aufzunehmen
aber ich kann nicht
genug davon bekommen
meine lippen stimmen sich
auf ihre worte ein
meine hände auf diesen weg
mein äußeres spiegelt schon zu viel
inneres wider
schon längst hat sie es bemerkt
hat mich angesehen
hat mich eingeladen
jedoch bleibt mir nicht mehr
als ein kopfschütteln
wenn sie mich fragt
ob ich über den zaun klettern kann
auch wenn ich lüge
denn es ist nicht das können
sondern das dürfen
was mich einsperrt
aber ich wage nicht
an der schranke zu rütteln
denn in ihr zu viel liebe gebunden
doch ist es möglich
bei nicht dürfen überhaupt von können zu reden
wird doch das können mit dem verbot unterbunden
kann nicht erprobt werden
sie zupft an meinen saiten
sie singt meines inneren worte
sie malt meine landschaften
die die ihren sind
verleiht ihnen neue farben
die sie bei mir nie hatten
gibt ihnen neue funktionen
die sie bei mir erfüllten
ich spüre
wie sie spielt
und sie spielt konzentriert
mit dem publikum
sie löst grenzen
verstärkt sie
sie spielt
bis eine saite reißt

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